Dokumentation



Gutachten zur Delikthaftung der norwegischen Tabakindustrie (1)

Dieses Gutachten zur Haftbarkeit der Tabakindustrie wurde von Experten aus verschiedenen Wissensbereichen (Toxikologie, Medizin, Politik-Wissenschaften, Recht) erstellt. Das Beratungsgremium des norwegischen Rates Tabak und Gesundheit hat dem Gutachten seine Zustimmung gegeben.

Die folgenden drei Arten von Klageverfahren sind in Norwegen von Bedeutung:

a) Schadenersatzklagen gegen die Tabakindustrie von einzelnen Rauchern oder deren überlebenden Verwandten,

b) Schadenersatzklagen 1) gegen Arbeitgeber, 2) deren Haftungsversicherungen und 3) gegen die Tabakindustrie von Personen, die am Arbeitsplatz mit Tabakrauch belastet wurden,

c) Schadenersatzklagen gegen die Tabakindustrie von Krankenhaus-Betreibern (die norwegischen Landkreise), um die Kosten für die medizinische Behandlung der Tabak-bedingten Krankheiten wieder einzuholen.


Bei der Abschätzung von Haftbarkeit und Schadenersatz sind die folgenden Tatsachen bezüglich des Tabakkonsums, der Tabakindustrie und der geschädigten Partei zu beachten.
  1. Das mit dem Tabakkonsum verbundene Risiko für Krankheit, Invalidität und Tod ist sehr hoch. In Norwegen sterben jährlich 7.000 Menschen an Krankheiten, die durch das Rauchen verursacht werden.

  2. Der Konsum nikotinhaltiger Tabakprodukte führt nicht nur zur Ausbildung psychologischer und sozialer Gewohnheiten, sondern ist auch stark suchterzeugend.

  3. Sucht und Krankheit erfolgen schon bei bestimmungsgemäßem Gebrauch der Tabakprodukte.

  4. Es ist nicht ersichtlich, dass der Tabakkonsum irgendeine positive Wirkung auf die Lebensqualität des Rauchers besitzt - abgesehen von der entspannenden oder anregenden Wirkung bei denjenigen, die bereits abhängig sind.

  5. Die Abhängigkeit entwickelt sich sehr rasch, nachdem ein Kind oder Jugendlicher mit dem Rauchen angefangen hat. Dagegen zeigen sich die Gesundheitsschäden erst nach 20-50 Jahren. Die anregende und entspannende Wirkung des Rauchens tritt unmittelbar nach dem Anzünden der Zigarette und dem ersten Zug ein. Das Interesse von Jugendlichen gilt mehr diesen Wirkungen und nicht dem, was die Zukunft bringen könnte. Die Zigarettenindustrie kennt diese Zusammenhänge, die für den Tabakkonsum charakteristisch sind, sehr wohl.

  6. Die Tabakindustrie macht enorme Gewinne, während die Raucher und die Betreiber der Krankenhäuser (die Landkreise) die Lasten der tabakbedingten Krankheiten und deren Kosten tragen. Die wirtschaftlichen Nutznießer sollten ebenfalls für einige dieser Kosten aufkommen, denn: "Profit und Risiko gehen Hand in Hand".

  7. Die Tabakindustrie hat die Verbraucher nicht über die gesundheitlichen Folgen und die Nikotin-Abhängigkeit, die mit dem Konsum ihrer Produkte verbunden ist, gewarnt. Im Gegenteil, die Industrie hat ihre Werbeanstrengungen verstärkt, als im Jahr 1964 der Tabak-Bericht des US General Surgeon und seines norwegischen Amtskollegen erschienen ist.

  8. Die Tabakindustrie hat die medizinisch-wissenschaftlichen Beweise für die schweren Gesundheitsschäden durch das Rauchen abgestritten, in Zweifel gezogen oder verharmlost.

  9. Die Tabakkonzerne haben versucht, die Einführung staatlicher Maßnahmen zum Schutz der öffentlichen Gesundheit zu verhindern.

  10. Diejenigen, die jetzt an Krebs oder anderen Erkrankungen leiden, haben überwiegend im Jugendalter und vor der Einführung der Gesundheitswarnungen sowie des Tabakwerbeverbotes (1975) mit dem Rauchen begonnen. Den meisten von ihnen waren die negativen Gesundheitsfolgen und die starke Nikotinabhängigkeit, die mit dem Konsum von Tabakprodukten verbunden sind, nicht bewusst und viele haben erfolglos versucht, mit dem Rauchen aufzuhören.
    Asbjørn Kjønstad (Projektleiter), Erik Dybing, Karl Erik Lund, T. Sanner, Nicolai V. Skjerdal
Oslo, 31. Mai 2000 Pfeil zurück




(1) Die Übersicht über die Arten und Grundlagen von Schadensersatzklagen gegen die Tabakindustrie ist dem Gutachten in Form eines Briefes an das norwegische Ministerium für Gesundheit und Soziales vorangestellt. (siehe dazu Mitteilungen Nr.23 unter Maßnahmen/Rechtsprechung und Neue Bücher/Schriften). Unautorisierte Übersetzung aus dem Englischen durch die Redaktion.